Robotic Process Automation (RPA) ist keine neue Disziplin, aber auch diese Systemgattung muss neu gedacht werden, seitdem durch KI-basierte Funktionen Software-Tools generell Disruptionen ausgesetzt sind, die dazu führen, dass sich das grundlegende Funktionsprinzip von Produkten ändert und diese Anwendungsfälle bedienen können, die bis dato undenkbar waren.
Der RPA-Initialismus tauchte erstmalig anfangs der Nullerjahre auf. Dahinter verbirgt sich die Möglichkeit, softwaregestützt Prozesse zu automatisieren. Auch wenn es Möglichkeiten gibt, die Steuerung von Hardware-Komponenten zu automatisieren, etwa in der Robotik, sind mit RPA-Lösungen in der Regel immer Systeme gemeint, die auf der Benutzeroberfläche von Softwareanwendungen ansetzen. RPA simuliert also menschliche Verhaltensmuster und löst Prozessschritte, indem sie Dinge auf dem Bildschirm wahrnimmt, interpretiert, entscheidet und handelt.
Die Treiber der deutlichen Dynamik im RPA-Umfeld sind vor allem zwei Faktoren: Zum einen erreichen KI-Tools mittlerweile eine neue Dimension kognitiver Fähigkeiten. Dazu gehört eine horrend verbesserte Mustererkennung, aber auch die das Sprach- und Leseverständnis nimmt rapide zu. Zum anderen etablieren sich neben sogenannten Low-Code-Lösungen auch reine NoCode-Lösungen, welche die Voraussetzung sind, um auch Menschen, die nicht IT-affin sind, die Automatisierung von Prozessen zu ermöglichen. Während Low Code meist Systeme beschreibt, in denen kleinere Funktionsbausteine im Prozess programmiert werden müssen, versprechen NoCode-Lösungen die Automatisierung allein auf Anwendung vorhandener Funktionen in der Software.
Wie ist die richtige Vorgehensweise, um solche Lösungen umsichtig im Unternehmen zu platzieren?
Oft ist allein die Absicht eines Unternehmens, den Automatisierungsgrad zu erhöhen oder KI-Tools zu testen, beängstigend für die Belegschaft. Nicht selten werden Digitalisierungsbestrebungen gemeinsam mit Umstrukturierungs- oder gar Rationalisierungsmaßnahmen im Unternehmen proklamiert. Dabei ist die Notwendigkeit einer solchen Transformation einem ganz anderen Sachverhalt geschuldet: Mit wachsendem Fachkräftemangel ist zwingend erforderlich, die internen Ressourcen zu stärken und zu ermutigen, selbst Teil der Neuausrichtung zu werden.
NoCode basierte RPA-Lösungen können ein Mittel sein, wie diese Umsetzung gelingen kann: Mitarbeitende von Fachabteilungen werden ermächtigt, ihre eigenen Prozesse ohne Programmierkenntnisse zu automatisieren. Sie erweitern ihr Skill-Set und werden wertvoller für das Unternehmen. Durch das Training mit einer RPA-Lösung werden sie zu sogenannten Citizen Developers. Im Gegensatz zu individuell programmierten Software-Lösungen durch externe Entwickler können sowohl Teil-, aber auch komplette Prozesse durch bestehende interne Ressourcen automatisiert werden. Und diese Verlagerung des Know-Hows greift nicht nur bei der Erstellung, sondern auch bei der Wartung und dem operativen Betrieb der automatisierten Lösung.
Process Mining als Instrument, um geeignete Use Cases zu identifizieren
RPA-Anwendungsfälle mit dem größtmöglichen Wirkungsgrad zu identifizieren, ist keine triviale Aufgabe. In nahezu jeder Branche und unabhängig von der Unternehmensgröße kommen Softwaresysteme mit einer Benutzeroberfläche zum Einsatz, für die prinzipiell eine Automatisierung denkbar ist. Doch ist nicht jeder Prozess gleich gut für die Automatisierung geeignet. Um passende Prozesse für die Automatisierung zu finden, bietet sich die Methodik des Process Minings an.
Wie der Name erkennen lässt, „gräbt“ man so lange, bis man relevante Prozesse findet. Beim Graben geht man analytisch vor: Man untersucht einen Prozess, zerlegt ihn in die einzelnen Workflow-Schritte und berechnet, wie oft jeder Schritt in einem Zeitintervall ausgeführt wird und wie lange dafür benötigt wird. Die Multiplikation und Umrechnung mittels des angesetzten Lohns pro Zeit ergeben in Summe die Kosten für diesen Prozess.
Dem gegenüber steht der Aufwand für die Automatisierung sowie die Kosten für den Betrieb der RPA-Lösung. Oft gelingt es, sehr schnell geeignete Prozesse mit Process Mining identifizieren, insbesondere wenn man auf effiziente Multiplikatoren stößt. Je monotoner ein Prozess ist und je öfter er ausgeführt werden muss, desto größer ist das wirtschaftliche Potential für die Automatisierung.
Mögliche Use Cases im Bereich der Produktkommunikation
Auch wenn das Process Mining auf alle Unternehmensbereiche angewandt werden kann und Automatisierungen in Finanzabteilungen, einer HR-Abteilung oder auch in der Produktion hilfreich sind, ist der Einsatz von RPA-Lösungen insbesondere im Bereich der Marketing-Technologie attraktiv. Um die Potentiale greifbar zu machen, werden im Folgenden einige Prozesse aus dem Marketing-Umfeld skizziert.
Fehlende Schnittstellen bei der Migration / Medienbrüche im operativen Betrieb
Häufig müssen Daten von einem Quellsystem in ein Zielsystem überführt werden, beispielsweise bei der Migration von einem Alt-System in ein neues System oder um Datenbestände in zwei Systemen synchron zu halten. Doch was, wenn das Quell-System keine Export-Schnittstellen bietet? Hier kann RPA helfen, die benötigten Datensätze nacheinander zu lesen und die Informationen ins Zielsystem zu übertragen. Über einen solchen Mechanismus wird eine fehlende Schnittstelle zwischen zwei Systemen hergestellt und die RPA sichert die konsistente Datenpflege.
Reporting Funktionalität
Die Erstellung von Reports ist eine zeitraubende, wiederkehrende Tätigkeit, insbesondere, wenn der aktuelle Stand von gleichbleibenden Datenstrukturen aus verschiedenen Systemen abgefragt und in ein Layout-Dokument eingetragen werden muss. Die RPA kann die informationsgebenden Systeme nacheinander abfragen, relevante Daten extrahieren und damit ein Reporting-Template befüllen. Ist der Prozess gleichbleibend, kann der Vorgang ohne zusätzliche Aufwände auch in kürzeren Intervallen ausgeführt werden und damit die Informationslage verbessern.
Überwachung von und Checks in Systemen
Eine einfache Disziplin ist das rudimentäre Prüfen auf Verfügbarkeit eines Systems. Ein Automatismus probiert das Aufrufen einer Webseite und ob der Login mit einem validen Benutzer-Account möglich ist. Verläuft der Test erfolgreich, ist das System höchstwahrscheinlich im normalen Betrieb; schlägt der Automatismus fehl, ist etwas faul. Neben derartigen funktionalen Tests sind aber auch inhaltsbasierte Checks möglich. So kann man beispielsweise den Datenbestand untersuchen und Bildinhalte auf Copyright-Verletzungen prüfen, veraltete Datensätze finden oder Duplikat-Einträge ausmerzen.
Grenzen der RPA
Die Liste der Anwendungsfälle kann beliebig ausgeweitet werden. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, die Prozesse mit dem größtmöglichen Einsparpotential zu finden und durch Automatisierungsprojekte die Digitalisierung voranzutreiben. Unüberwindbare Hürden für die RPA sind nur Prozessschritte, die nicht deterministisch zu lösen sind. Doch jeder Prozess, den man am Bildschirm nach einem Regelwerk ausführen und einem anderen Menschen erklären kann, ist per se auch automatisierbar.
TL;DR
Moderne NoCode-basierte RPA-Lösungen sind ein Beschleuniger der digitalen Transformation von Unternehmen: In nahezu jeder Branche und unabhängig von der Unternehmensgröße findet man Prozesse, die damit von Facharbeitenden ohne Programmierkenntnisse automatisiert werden können. Der Ansatz hilft gleichermaßen, Ressentiments gegen KI- und Automatisierungslösungen abzubauen, indem man mit überschaubarem Aufwand die Belegschaft zu Citizen Developers weiterbildet.